Die rechte Hand macht eine aus der Antike überlieferte Bittgeste, die linke berührt die zu seinem Körper drängenden Fische, die in Schwärmen zu Seiten seiner Beine in einer ornamentalen Reihung dargestellt werden. Die abstrahierten Fischkörper sind in die Bronzeoberfläche eingegraben, so daß sich ein strenges Oberflächenmuster ergibt.
Gretel Gemmerts Heiliger wirkt weniger enthoben, sondern offener und freundlicher. Dazu trägt sein unbedecktes Haupt und der offene Blick bei, der den Betrachter anspricht. Der einladende Gestus; des weit ausgestreckten rechten Armes richtet sich nicht nur an die Vögel, sondern an alle Kreaturen. Drei Vögel drücken sich gegen sein Gewand, wobei der oberste auf seinem Schoß Platz genommen hat, ein Raubvogel der seinen Hals von dem Heiligen streicheln läßt. Bei diesem Tierkörper verläßt Gretel Gemmert die graphische Zeichnung und geht in die Dreidimensionalität über.
Ohne ein Werturteil fällen zu wollen, kommen
hier sehr verschiedene Interpretationen zum Ausdruck: Stärkere Formalität und Strenge bei Zimmermann, Wirklichkeitsnähe und menschliche Wärme bei Gretel Gemmert.
Man könnte diese Vergleiche weiterführen, z.B. durch eine Gegenüberstellung der Madonna, die Kurt Zimmermann 1960 schuf, eine kleinere Ausführung für das große Werk in der Kapelle des Kölner Priesterseminars, mit Gretel Gemmerts Madonna: von 1964, die den gleichen Madonnentypus der "Sedes Sapientiae" (Sitz der Weisheit) wählt. Schließlich ließ sich auch die "Tanzende Bäuerin" von 1956 mit Gretel Gemmerts "Odaliske" von 1980 vergleichen oder die Wirkung des Windes auf die Gewandfigur in Zimmermanns "Sturmfigur" von 1959 in ihrer Beziehung zu Gretel Gemmerts "Frau im Wind "von 1970. Es hat den Anschein, daß sich die künstlerische Eigenständigkeit Gretel Gemmerts immer stärker herausbildet, je weiter sie sich auch zeitlich von dem Werke Zimmermanns entfernt.
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